Exkurs nach Lienz

  • In Bruck

  • Der Kosakenfriedhof

  • Lorenz

  • Egger-Lienz

Folgt man der Drau stromaufwärts in Richtung ihres Ursprungs in Südtirol, stößt man auf Lienz, dort nämlich, wo die Osttiroler Isel einmündet und die Drau damit erst zu einem mächtigen Strom macht. Die Stadt profitierte in den letzten Jahren vor allem durch den wachsenden Individual-Wintertourismus (Zettersfeld, Hochstein) abseits der großen Tourismus-Ströme, aber auch vom Drauradweg, der über 510 km Südtirol mit Kroatien verbindet und der erste europäische, zertifizierte 5-Sterne E-Bike Radweg ist. Die erste Etappe von Toblach/Innichen nach Lienz (48,5 km) bringt viele Tagestouristen in die Stadt, ein Grund mehr, sich einmal mit Lienz näher auseinanderzusetzen.

Sammlung Albin-Egger Lienz
Also beginne ich mit Schloss Bruck. Das Schloss war vom 13. bis zum Beginn des 16. Jhd. Wohnsitz der Görtzer Grafen, ehe der Besitz dem späteren Kaiser Maximilian I. anheimfiel, weil die Götzer kinderlos geblieben waren. Die Grafschaft wurde damit mit der Grafschaft Tirol vereinigt.  Nach wechselhaftem Schicksal und unterschiedlichster Verwendung ist das Schloss seit den 50er Jahren im Besitz der Stadt und wird als Stadtmuseum genutzt.  Neben ständig wechselnden Ausstellungen zu den unterschiedlichsten Themen beherbergt es die permanent zugängliche Sammlung von Arbeiten des aus Lienz stammenden Malers Albin Egger-Lienz, einem der bekanntesten Tiroler Künstler des 20. Jhd. Der waren das vorrangige Ziel meines Besuches, vor allem sein Spätwerk, also die nach dem ersten Weltkrieg entstandenen Arbeiten. Zentrales Thema ist dabei das „Schicksal“, das Spannungsfeld zwischen Werden und Vergehen vorrangig im ruralen Umfeld. Einige Werke, die er während und kurz nach dem Ersten Weltkrieg malte, sind stark dem deutschen Expressionismus verwandt. Die Betonung liegt auf dem in sich geschlossenen Volumen, der kubischen Verkürzung und den Verzerrungen. In den Bildern nach dem Weltkrieg erscheinen die Bauern und Bäuerinnen als Zeitzeugen und Botschafter des Leides und des Todes, quasi als stumme Beobachter einer unheilvollen Welt.
Diese unheilvolle Welt hat auch dreißig Jahre später in Lienz deutliche Spuren hinterlassen; sie sind unter dem Schlagwort „Tragödie an der Drau“ oder „Lienzer Kosakentragödie“ in die Geschichte eingegangen. Als nämlich im Frühjahr 1945 militärische Kosakenverbänden, die auf der Seite des NS-Regimes gegen Stalin kämpften, nach ihrer Flucht vor den Titopartisanen und nach Kapitulation vor der britischen Armee bei Lienz  lagerten und ihnen  die Zwangsrepatriierung in die Sowjetunion (und damit Hinrichtung oder Zwangslager) drohte. Eine unbestimmte Anzahl von Soldaten und Familienmitgliedern, die im Tross den Kosakenverbänden gefolgt waren und auf neue Siedlungsgebiete im Friaul gehofft hatten, starben durch Suizid, erweiterten Suizid (Kinder!) und Gewaltanwendung durch britische Soldaten. In Lienz erinnert heute der Kosakenfriedhof mit seinen 28 Grabstellen, in denen an die 300 Menschen begraben sein sollen, an dieses dunkle Kapitel. Der Friedhof wird vom Österr. Schwarzen Kreuz gepflegt und instandgehalten, 2015 wurde sogar eine Holzkapelle im orthodoxen Stil errichtet. Gleich unmittelbar neben der Drau, übrigens direkt am Drauradweg gelegen, wirkt er trotz seines Hintergrundes fast wie ein idyllischer Kontrapunkt in einer typischen Tiroler Umgebung.

Kaffee in der Altstadt
Dann jedoch in die Altstadt. Bei einem Spaziergang im gepflegten Ambiente entdeckt man viele schöne Plätze und Sehenswürdigkeiten: die Liebburg am Lienzer Hauptplatz (als Rathaus genützt), das Antoniuskirchl, das Franziskanerkloster und das ehemalige Bürgerspital mit der Josefskirche. Besonders einladend ist auch der Johannesplatz mit der Mariensäule. Alles ist mit bunten Blumen geschmückt – sogar Palmen stehen in der Stadt (Lienz ist die Stadt mit den meisten Sonnenstunden Österreichs). Natürlich darf ein Besuch im City Café, der Konditorei Glanzl am Hauptplatz nicht fehlen. Das ist ein Hotspot für die Einheimischen und natürlich auch für die Touristen. Wartezeiten auf freie Plätze sind die Regel. Man überzeugt mit hausgemachten Torten, Pralinen und Lienzer Zelten (Lebkuchen), hat 2024 immerhin 89 Falstaff-Punkte erreicht und ist in Lienz Nr.1 in der Kategorie „Tee&Kaffee“ lt. Tripadvisor.

Zum Abschluss noch ein Abstecher in die Dolomitenbank-Galerie am Südtiroler Platz; die Dolomitenbank ist ein kleines, lokales Geldinstitut (8 Geschäftsstellen in Osttirol und Oberkärnten, an die 90 Mitarbeiter), das sich u.a. die Aufgabe gestellt hat, hochwertige Kunst einem breiten Publikum frei zugänglich zu machen – und das seit 2014 mit jeweils 6 Ausstellungen pro Jahr. Derzeit wird der Tristacher (Bezirk Lienz) Leonard Lorenz präsentiert, der vor allem mit seinen aufwändigen Bronze-Skulpturen auch international Furore macht (zugänglich während der Bank-Öffnungszeiten). Wirklich sehenswert!

Essay by Walter Ritter

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