Alpine Kulinarik am Berg

Österreichs Spitzen-Köche entdecken im Ötztal die alpine Produkt-und Aromenvielfalt neu. Der Koch.Campus agiert seit 2013 als eine der profiliertesten Initiativen zur gezielten Förderung und Weiterentwicklung der kulinarischen Identität Österreichs. Die hochkarätig besetzte Runde aus Spitzenköchen, Gastro-Vordenkern und Publizisten begab sich unlängst im Ötztaler Windachtal auf Spurensuche. Mit dem aus Sölden stammenden Produzenten und Züchter Michael Wilhelm als kundigem einheimischem Führer erlebten die Teilnehmer eine faszinierende Reise durch die Produkt- und Aromenvielfalt des hochalpinen Ötztals.

Österreich als kulinarische Destination auf den Landkarten der internationalen Gourmet-Rezipienten besser zu positionieren – mit diesem ambitionierten Ziel hoben einige der prominentesten Köche Österreichs 2013 den Koch.Campus aus der Taufe. Initiator und Organisator Klaus Buttenhauser etablierte gemeinsam mit den Spitzenköchen Thomas Dorfer, Andreas Döllerer und Heinz Reitbauer auch das stimmige Instrumentarium für ihr Bestreben: Den Koch.Campus Chef‘s Table, der als Kochwerkstatt, Denkfabrik und Diskussionsforum in einem praktiziert wird.

Hochalpine Tour mit Probost, Döllerer, Baron & Co
Die jüngste Ausgabe des Formats begab sich am 26. Juni 2017 auf hochalpine Wanderschaft. Erklärtes Ziel: Das Potenzial der alpinen Küche und der Produktvielfalt der Berge neu zu entdecken. Und quasi aus dem Dunkel vergessener Traditionen wieder ins Licht einer zeitgemäßen, alpin inspirierten Gastronomie zu führen. Die Wahl für diese ambitionierte Exkursion fiel auf das Windachtal oberhalb von Sölden im Ötztal. Hochdekorierte Chefs der österreichischen Spitzengastronomie wie Andreas Döllerer (Restaurant Döllerer, Golling bei Salzburg) Thorsten Probost (Griggeler Stuba, Lech), Jeremias Riezler (Walser Stuba, Kleinwalsertal), James Baron (Hotel Tannenhof, St. Anton am Arlberg) oder der Stubaier Armin Leitgeb, Ex-Chef des gefeierten „Les Amis“ in Singapur, sowie Österreichs bekanntester Barkeeper und Getränkeexperte Reinhard Pohorec erwanderten die Siegerland Hütte am Ende des Windachtals. Begleitet wurden sie durch das wildromantische Hochtal von Top-Köchen aus dem benachbarten Südtirol, der Schweiz und aus Deutschland. Darunter Rebecca Clopath, der ehemaligen Sous-Chefin von „Hexer“ Stefan Wieser im „Rössli“ im schweizerischen Escholzmatt, oder Alexander Huber vom Michelin-geadelten „Huberwirt“ im bayerischen Pleiskirchen. Und nicht zuletzt der Südtiroler Hansjörg Ladurner, der in „Scalottas Carn & Cachiel“ in Lenzerheide einen ruhmreichen Terroir- und Regionalitätsansatz verfolgt.

Im Fokus: Ötztaler Erfolgszüchter Michael Wilhelm
Die Wahl der exklusiven Runde für den jüngsten Chef’s Table fiel nicht von ungefähr auf das Ötztal. Mit Michael Wilhelm verfolgt hier einer der innovativsten Züchter Tirols seit 20 Jahren seine Mission. Er kultiviert im Windachtal – einem seitlich zum Ötztal verlaufenden Hochtal – alte Rassen wie das Zackelschaf, experimentiert mit neuen Ansiedelungen wie dem für Almwirtschaft perfekt geeigneten japanischen Wagyu-Rind. Nicht zuletzt hat Wilhelm den Yak im Ötztal heimisch gemacht. „Es ist höchst spannend, mit Zuchttieren zu arbeiten, die ein Eigenleben haben und eigentlich wild sind“, erklärt der Landwirt. Geschick beweist Wilhelm nicht nur als Züchter, sondern auch als Netzwerker und Vermarkter. James Baron oder Andreas Döllerer fanden längst Gefallen an den erstklassigen Produkten des Sölders und haben diese auf ihren Karten integriert. James Baron über Wilhelm: „Man schmeckt in Michaels Produkten eine unbedingte Leidenschaft. Seine Arbeit bringt großartige Qualität hervor.“

Reduktion auf das Wesentliche
Entlang der Route, die gewissermaßen die Heimatalmböden von Wilhelms nachhaltig gezüchteten Tieren repräsentieren, ließ Thorsten Probost mit einem Kurzreferat eine Ahnung seines enormen Wissens über alpine Kräuter und deren Einsatz in zeitgemäßer Küche aufblitzen. Viele der am Wegesrand gesammelten Wildpflanzen, Flechten oder Beeren kamen schließlich in einzigartig reduzierten kulinarischen Kompositionen zur Geltung. Vorgetragen wurden diese Gourmet-Kleinode schließlich auf der Siegerlandhütte auf 2.700 Höhenmetern. Die beengten Möglichkeiten einer alpinen Schutzhütte forderten die Köchinnen und Köche zu ultimativer Reduktion ihrer Werke auf. Mit dem Ergebnis außergewöhnlicher Geschmacksintensität des Dargebotenen.

Faszinierende Aromen auf 2.700 Metern
Andreas Döllerer rollte etwa sein Pulled Pork mit Käsebruch in kurz zuvor gepflückte Sauerampfer-Blätter und gab beidem einen Schuss Fichtenwipfel-Öl sowie Joghurtbruch mit. James Baron füllte sein Einkorn-Wrap mit am offenen Feuer gegrillten Zackelschafherzen, Ziegenkäse sowie Gelbklee, Schafsgarbe, Wald-Witwenblume und fermentierten Körnern. Dem Shootingstar unter Österreichs Top-Chefs gelang damit eines der Highlights des Tages, eine faszinierend ausbalancierte Aromen-Komposition, die inmitten der kargen Gebirgskulisse für faszinierende Aha-Erlebnisse sorgte.

Beuschel und Blutkuchen vom Ötztaler Yak
Nach dem zehn Kilometer langen Aufstieg waren die Empfänger der vielgängigen Menüfolge bis zuletzt hungrig und entschlossen genug, sich von immer noch einem Gang überraschen und verwöhnen zu lassen. Etwa von Armin Leitgebs Yak-Beuschel, Alex Hubers Leber vom Zackelschaf oder Jeremias Rietzlers famosem Yak-Blutkuchen mit vier Wacholder-Elementen, darunter ein angeräuchertes Joghurt samt betörender Wacholder-Melasse. Hansjörg Ladurners unter freiem Himmel zubereiteter Eintopf vom Tuxer Rind markierte schließlich den herrlich sämigen und hochintensiven Abschluss eines an neu entdeckten, aber in Wirklichkeit altüberlieferten Geschmäckern reichen Nachmittages.

Käsespezialitäten vom hochrangigen Botschafter zum Auftakt
Als Da capo ließ sich die illustre Schar bereits am Vorabend der Wanderung vom Ötztaler Käsessommelier Andreas Gstrein die Zusammenhänge zwischen alpiner Fauna und Flora sowie Milch und Käsecharakteristika erörtern. Gstrein, Österreichs hochrangigster Vertreter in der weltweit bedeutendsten Vereinigung von Käsespezialisten, der „Guilde Internationale des Fromagers de la Confrérie de Saint-Uguzon“, lud dazu auf die Gampe Thaya in Sölden. Dominik Flammer, Publizist, Ernährungshistoriker und Konsulent, führte an beiden Tagen durchs Programm. Der Schweizer formulierte jenen finalen Leitgedanken, der den Ötztaler Koch.Campus stimmig zusammenfasst: „Je mehr man von der Tradition weiß, desto innovativer kann man sein.“

Koch.Campus von Bund, Ländern und EU unterstützt
Die Arbeit des Koch.Campus wird im Übrigen auch öffentlich gefördert: Vom Ministerium für ein lebenswertes Österreich, den Bundesländern und der Europäischen Union. Organisator Klaus Buttenhauser begrüßt diese Unterstützung als Beitrag zu einer Förderung regionaler kultureller Identität: „Unser Leitbild definiert, dass wir die österreichische Küche als herausragende Kulturleistung positionieren wollen. Und diese Anstrengungen sollen sich bewusst nicht nur auf das Segment der Spitzengastronomie beschränken. Wenngleich ihre Vertreter die Vordenker sein mögen, so sollen sich die im Koch.Campus entwickelten Qualitätsparameter in der gesamten Gastronomie verankern“, so Buttenhauser.

Kontakt

Aktuelle Termine

Wetter