Die Stadt Wien und die Kunst

Wie ein kleiner Magistratsbeamter ein Wiener Bau-Juwel rettet! Wer von Neuwaldegg Richtung Wiental fährt, kommt auf der linken Seite der Hüttelbergstraße an einem auffälligen Gebäude im späthistoristischen Landhausstil vorbei - der Sommervilla des renommierten Wiener Visionärs und Stadtplaners Otto Wagner, die er Ende der 1880er Jahre nach eigenen Plänen am Rande des Wienerwaldes, damals noch außerhalb des Stadtgebietes, für seine Familie errichten hat lassen. Die Villa selbst hat eine sehr wechselhafte Geschichte. Sie wurde 1911 von Wagner an einen jüdischen Varieté-Unternehmer verkauft, im Zuge der Arisierung in der Ostmark, wie Österreich damals genannt wurde, enteignet, diente dem Gauleiter und Reichsstadthalter Baldur von Schirach als Büro und schließlich als Lager und Verteilzentrum von Kleidungsstücken - eingesammelt von den Todeskandidaten aus den diversen KZ -, die sortiert und gereinigt an die Wiener Bevölkerung abgegeben wurden. Nach Ende des Krieges waren Stabsabteilungen der Russen, später der Franzosen dort untergebracht, die - entgegen des sonst eher dokumentierten Vorgehens der Besatzer - mit der Liegenschaft durchaus „pfleglich“ umgegangen sind, möglicherweise, weil sie den kulturellen Wert erkannt hatten.

Ein Magistratsbeamter als Retter
Nicht so die Stadt Wien, nach Ende der Besatzung Eigentümerin der Liegenschaft. Sie plante, die Villa zu schleifen und an ihrer Stelle einen großen Gemeindebau (mit Tankstelle) zu errichten. 1963 erging zunächst ein rechtskräftiger Abbruchbescheid, ehe ein kleiner Magistratsbeamter herausfand, dass auf der Liegenschaft die mutmaßlich älteste Eiche des Wiener Stadtgebietes stand und das gesamte Areal daraufhin zum schützenswerten Naturareal erklärt wurde. Somit blieb den Wienern dieses Bau-Juwel erhalten. 1972 erwarb es der der Wiener Schule des Phantastischen Realismus zuzuordnende  Malerfürst Ernst Fuchs (angeblich um 7 Mil. Schilling), steckte erhebliche Mittel in die naturgetreue Restaurierung der Bausubstanz und richtete dort sein Atelier ein. Seit 1988 beherbergt die Villa nun das Ernst-Fuchs-Privatmuseum.
In diversen Stadtführern wird die Villa vielfach als Jugendstil-Bau bezeichnet, was absolut unrichtig ist. Einzig der Westflügel mit den Tiffany-Fenstern des Adolf Böhm und den Stuckelementen von Josef Olbricht – seinerzeit Arbeitsraum für Otto Wagner – entspricht diesem Attribut. Die anderen Räume folgen dem damals gängigem Historismus. Unter den Draperien des seinerzeitigen Speisezimmers findet sich die wiederhergestellte Holzvertäfelung mit fix eingelassenen Gemäldekopien von Rubens und seinen Zeitgenossen (freilich überdeckt durch die großformatigen Fuchs-Gemälde). Fuchs hat allerdings das seinerzeitige Schlafzimmer von Wagner komplett umgestaltet - in ein römisches Bad nach dem Vorbild Pompejis.

Das Leben des Ernst Fuchs
In den Räumen selbst ist der Werdegang von Fuchs (Jahrgang 1930, katholisch getaufter Halbjude) anhand seiner Werke dokumentiert: von seinen bedrückenden, den Krieg verarbeitenden Bleistiftzeichnung seiner frühen Jugend, über seine manieristische Periode, wo er begann, in ikonographischer Art die Symbole von Judentum, Christentum und Islam zu vermischen, um anzudeuten, dass es seiner Meinung nach völlig egal wäre, welchen Namen man dem EINEN Gott gäbe, bis hin zu seinen biblischen Zyklen mit meist flammend gemaltem Hintergrund. Technisch perfekt ausgeführt, in der lasierenden Malweise der alten Meister, in beeindruckenden Großformaten. Immer wiederkehrend das Motiv der biblischen Esther in übersteigerter Darstellung der weiblichen Attribute – als Bild der Urmutter des jüdischen Volkes, weil es ihr gelungen sein soll, den geplanten Genozid an den Juden durch die Perser zu verhindern, und als Pendant dazu einen rotbärtigen, stattlichen Mann – die durchaus nazistische Selbstdarstellung des Malerfürsten, der in seinem Spätwerk keinen anderen Mann in den Bildern geduldet hat – außer sich selbst (übrigens 16 Kinder mit 4 Ehefrauen und 3 „Musen“)
Auch der Außenbereich des Areals trägt seine Handschrift: Übergroße (Bronze)statuen, u.a. natürlich Esther, der „Mosesbrunnen“ vor dem neuerrichteten Brunnenhaus, einem Ort zur Meditation, und – wie könnte es in Wien anders sein – das Galerie Café Esther im ehemaligen Pförtnerhaus. Es lohnt sich also, mal an einem Nachmittag die Wagner-Villa zu besuchen, sie ist geöffnet Di-So von 10:00 bis 16:00, öffentliche Führung am Freitag, als besonderen „Genuss“ gibt es auch eine „Sektführung“ ab 10 Personen (gegen Voranmeldung).Essay by Walter Ritter

 

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