Im zweiten Teil unserer Berichterstattung über die Städte in...
Nein, das ist keine perfide versteckte Frage, ob sie mal in eine Phase einer psychischen Störung dort in Behandlung waren (die Nervenklinik des Landes Niederösterreich ist ja seit 2007 endgültig aufgelöst), sondern zielt auf das dort seit 2006 bestehende Art Brut Center ab, das diesmal das Ziel meines Ausflugs in diesen Teil von Klosterneuburg war.
Neben dem „Haus der Künstler“, in dem talentierten, „gehandicapten“ Personen ein vollbetreutes Wohnen mit behutsamer therapeutischer und aktive sozialer Betreuung und Förderung geboten wird und dem damit verbundenen „Atelier“ finden sich in dem Center noch der „Kulturhügel“, als Verein 2016 gegründet mit dem Ziel, die Bekanntheit von Gugging durch Events zu fördern, ein „Café“ und – als Herzstück - das „Museum Gugging“ und die „Galerie“, die international zu den bedeutendsten Orten der Präsentation unverbildeter, ursprünglicher Kunst zählen.
Im Museum präsentiert die Dauerausstellung „gugging.! classic & contemporary“ ein umfassendes Bild der Gugginger Kunst aus über sieben Jahrzehnten, beginnend etwa mit Johann Hauser, dessen Arbeiten, zunächst entstanden aus der Zeichentest-Methode seines behandelnden Psychiaters der damaligen Nervenheilanstalt, international bekannt wurden, und der von Dubuffet selbst, der das anti-intellektuelle Kunstkonzept (Art Brut) in Frankreich entwickelt hatte, „approbiert“ wurde. Darüber hinaus werden in der "gugging.! classic & contemporary UPDATE" aktuelle Positionen von einschlägigen Künstlern gezeigt (inkl. Gedichten mit Audio- und Videounterstützung). In einer (bis 3.2025 laufenden) Sonderausstellung „fantastische orte.!“ präsentieren weitere vier Künstler ihre Arbeiten, darunter Leopold Strobl, er war einer der Österreichvertreter der Kunstbiennale 2024 in Venedig; seine „Spezialität“ ist die Übermalung von kleinformatigen Fotos aus Zeitungsartikeln mit Buntstift, wobei immer schwarzes Objekt oder schwarze Rahmen vorkommen – der jeweils ersten der von ihm verwendeten Farben. Das Museum selbst ist modern gestaltet, die Beleuchtung stimmt und man kann sich mithilfe der (zweisprachigen) Beschriftung gut selbst orientieren. Öffentliche Führungen gibt es sonntags, für Kindergärten und Schulklassen werden Workshops angeboten.
Die Galerie im Erdgeschoß (die von den Gugginger Künstlern selbst betrieben wird), bietet nicht nur Arbeiten zum Verkauf an, sondern lädt in besonders gestalteten Ecken zum Lesen oder einfach zum Verweilen ein. Derzeit werden (bis Anfang Februar 2025) dort auch Skulpturen, Zeichnungen und „Flugobjekte“ von zwei weiteren Künstlern ausgestellt.
Events im ehemaligen Bauernhaus
Am Kulturhügel findet sich außerdem noch die „Villa Gugging“, ein vom Multimediakünstler Langner (alias Birdman) über Jahre umgestaltetes, altes Bauernhaus, das für Events angemietet werden kann (samt technischem Equipment).
Erlauben sie mir zum Schluss noch eine kritische Bemerkung zur Art Brut. Der anfängliche Boom ist m.E. vorbei. Arbeiten von Hauser, für mich der „Doyen“ unter den Gugginger Künstlern, werden in den letzten Jahren durchwegs am unteren Ender der Bandbreite der Expertenschätzungen verkauft (Auktionshaus Kinsky) und die erzielte Preise gehen ganz selten über vierstellige Beträge hinaus. Es scheint auch, als wären Künstler einfach auf den „Zug“ aufgesprungen, der Bereich ist m.E. stark kommerzialisiert und hat sich von der ursprünglichen Intention – nämlich unmittelbare Kunst ohne Beeinflussung von Kunstströmen und Ausbildung darzustellen (was seriöser Weise wohl in erster Linie für Kinder und beeinträchtigte Menschen gelten kann) – ziemlich abgekoppelt. Die derzeitige Gugginger Künstlergruppe mag da wohl eine rühmliche Ausnahme sein. Schon allein deshalb ist es wohl wert, Gugging mal zu besuchen.
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