(Un)known Artists of the Amazon

Können Sie sich noch an des Museum für Völkerkunde in Wien erinnern? Als Jugendlicher war ich in den 80er Jahren ein paar Mal dort und habe es damals als eher verstaubte, wenig strukturierte Sammlung ethnographischer Schaustücke empfunden, denn wiewohl die Habsburger keine eigenen Kolonien hatten, war ihnen die Sammelleidenschaft von (Kunst)-Gegenständen fremder Kulturen inhärent. Und in den nachfolgenden Jahren war es immer dann ein Thema, wenn die Mexikaner wieder mal die Rückgabe einer Federkrone - angeblich die des Montezuma (was übrigens nicht zu verifizieren ist) gefordert haben (Anmerkung: sie wird in Wien bleiben, weil das aus dem 16. Jhd. stammende Objekt einfach nicht mehr transportfähig ist und das Schadenskisiko beim Rücktransfer als zu hoch eingeschätzt wird). Tatsächlich aber beinhalten die hauptsächlich szt. habsburgischen Objekte (mehr als 500.000 Exemplare)  einige der weltweit wichtigsten außereuropäischen Sammlungen.

2017 - nach  umfangreichen Umbauarbeiten und heftigen Diskussionen über geplante Erweiterungen/Restrukturierungen - wurde das Völkerkundemuseum als „Weltmuseum“ neu eröffnet, es bemüht sich heute um eine kritische Aufarbeitung seiner Vergangenheit, insbesondere seiner Verstrickungen mit dem Kolonialismus, dem Nationalsozialismus und der Geschichte der Ethnologie. Nach eigenen Angaben ist es bestrebt, die Geschichte seiner Sammlungen aus kolonialen Kontexten in Zusammenarbeit mit Personen und Institutionen aus den Herkunftsgesellschaften aufzuarbeiten. Und Ausstellungsräume, Infrastruktur und die technische Einrichtung sind inzwischen im 21. Jhd. angekommen, es gibt sogar ein gemütliches Cafè.
Der Titel einer der laufenden Ausstellungen „(Un)known Artists of the Amazon“ hatte mich neugierig gemacht, so dass ich an einem trüben Wintermorgen beschloß, das Museum aufzusuchen. Und ich traf hier auf die Welt Indigener Volksgruppen aus dem Amazonasgebiet, für die eine Trennung von Mensch und Natur prinzipiell nicht existierte, Pflanzen, Tiere und Dinge waren bei ihnen Wesen mit Subjektstatus, die eine aktive Rolle in ihrer sozialen Welt spielten – dies halt bis zur Ankunft der Europäer, d.h. Begriffe wie „Kunst“, „Kunstobjekte“ waren ihnen völlig unverständlich. So zeigt die Ausstellung Alltagsgegenstände, denen in ihrer Funktion quasi eine „Seele“ zugeschrieben wird. Die  Namen der „Künstler“ waren nicht von Interesse und damit nicht dokumentationswürdig.  Sie waren bloße Repräsentanten ihre Gemeinschaften und Traditionen. Die Ausstellung selbst ist eine Kooperation zwischen dem Weltmuseum Wien und dem privaten Museu de Arte Indígena (MAI) in Curitiba, Brasilien und bemüht sich,  die Entwicklung der seinerzeitigen Gebrauchsgegenstände zu selbständigen Kunstobjekten aufzuzeigen. Was m.E. durchaus geling – mit der Erkenntnis, dass auch der Indigenen Kunst Brasiliens ein ästhetisches Prinzip innewohnt, das die Welt der Menschen durchzieht  – damals wie heute – und das ortsunabhängig.

Essay by Walter Ritter

 

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