Im ersten Halbjahr 2025 lädt die Österreichische Nationalbibliothek zu...
Die beeindruckende Ausstellung im Kunsthistorischen Museum ist ab sofort wieder und bis zum 24. Jänner geöffnet. Sie präsentiert in Kooperation mit dem Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien eine ungewöhnliche Hommage an Ludwig van Beethoven(1770–1827), den großen Vertreter der Wiener Klassik. Weit über die Musik hinaus haben seine humanistischen Botschaften die Kunst- und Kulturgeschichte beeinflusst. Seine frühe Ertaubung prägte sein Bild als tragisches Genie. Beethovens universelle und einzigartige Rezeption, die epochale Bedeutung seiner Musik, aber auch die Wahrnehmung seiner ikonengleich stilisierten Person lassen auch 250 Jahre nach seiner Geburt noch eine Unmenge von Anknüpfungspunkten zu; Hoch- und Populärkultur, Kommerz und Politik nützen ein nahezu unerschöpfliches Reservoir zur Inspiration oder auch Vereinnahmung. Die Ausstellung im Kunsthistorischen Museum bringt Gemälde von Caspar David Friedrich, Skizzenbücher von William Turner, Grafiken von Francisco de Goya, Anselm Kiefer und Jorinde Voigt, Skulpturen von Auguste Rodin, Rebecca Horn und John Baldessari, ein Video von Guido van der Werve und eine für die Ausstellung entwickelte neue Arbeit von Tino Sehgal ins Gespräch und in Beziehung mit der Musik und der Person Beethovens. Sie schlägt so eine Brücke bis zur Gegenwart und
versteht sich als poetische Reflexion auf den Komponisten und sein Schaffen: Meisterwerke der Bildenden Kunst gehen Verbindungen mit Musik und Stille ein. Der Ausdrucksmacht von Beethovens Klängen wird somit anschaulich Gestalt verliehen. Seine Musik wird nicht nur zu hören, sondern gleichsam zu sehen sein.
Beethoven - ein Genie
Die aufwendig inszenierte Ausstellung präsentiert kein einziges Werk aus den Sammlungen des Kunsthistorischen Museums. Sie wird aber in der Gemäldegalerie im Kontext der Kunst und Kulturvieler Jahrhunderte gezeigt – in unmittelbarer Nachbarschaft hunderter Werke, die exakt bis zur Lebenszeit Beethovens heraufreichen und gewissermaßen auch hinführen. Beethoven ist eine der großen und international prägenden Gestalten der Musik- und Kulturgeschichte – nicht nur Wiens. Eine Ausstellung, die im Jubiläumsjahr seines 250. Geburtstags neue Sichtweisen auf Beethoven ermöglicht, bedeutet eine Herausforderung, der sich das Kunsthistorische Museum als größtes Museum Österreichs stellen möchte. Museen sind Schatzhäuser, kulturelles Gedächtnis und Touristenmagnete; aber darüber hinaus sind sie auch diskursive Reflexions- und Konfrontationsräume, sie sind Laboratorien der Fantasie und Gedankenverbindung – diese Seite wird in dem von Andreas Kugler, Jasper Sharp, Stefan Weppelmann und Andreas Zimmermann kuratierten Ausstellungprojekt im Besonderen sichtbar werden. Die Abfolge der Ausstellungssäle orientiert sich nur allgemein am Leben Beethovens. Die thematisch getrennten Galerieräume sind wie Tableaus angelegt, denen jeweils eigene Kompositionsprinzipien zugrunde liegen. Im Zusammenspiel der architektonischen Inszenierungen mag die Abfolge der Säle selbst an Sätze eines Orchesterwerks erinnern. Kontrastreich sind die Raumgefüge, verschieden die Hörerlebnisse, vielstimmig die Medien und künstlerischen Zugänge. Folglich gibt es innerhalb der Säle keine Vorgaben für einen festen Parcours. Es bedarf stattdessen eigener Gedanken, um Beethoven zu erfahren, was ja auch für das Hören von Musik im Allgemeinen gilt. Als Besucher*in ist man aufgefordert, den eigenen Körper im Raum zu verorten und den Beziehungen zwischen Musik, Sprache, Bild und Bewegung nachzuspüren. Beethoven bewegt versteht sich damit als Einladung zu einer sehr persönlichen Begegnung mit dem großen Komponisten.
Saal I
In Saal I zieht die Besucher*innen die überwältigende Musik Beethovens gleich mit voller Wucht in ihren Bann: Es erklingen zwei Klaviersonaten des Komponisten, der bis zu seinem Hörverlust auch als herausragender Pianist und Interpret tätig war, nämlich dieWaldsteinsonate (C-Dur op. 53) und seine letzte Klaviersonate in c-moll op. 111. Zu beiden Werken sind auch die originalen Autographen Beethovens zu sehen. Präsent sind in diesem Saal alle 32 Klaviersonaten Beethovens, und zwar in Form von zwei sehr unterschiedlichen Arbeiten: Jorinde Voigt analysiert in 32 Zeichnungen mit einer ausgeklügelten Methodik die Kompositionen Beethovens. Idris Khan wiederum hat in seiner monumentalen Arbeit die Noten aller Klaviersonaten so übereinandergelegt, dass ein bedrohliches, blockhaftes Gebilde entsteht. Im Zentrum des Saales treten zwei ebenfalls sehr gegensätzliche Skulpturen in einen vieldeutigen Dialog: die menschliche Figur Auguste Rodins und der rätselhafte Konzertflügel Rebecca Horns. Widersprüchlich und hochkomplex war auch der Charakter des Komponisten, und zugleich war dieser die Voraussetzung für sein Schaffen: Sein Temperament ließ ihn Werke hervorbringen, die die Menschen auf allen Erdteilen unseres Planeten bis auf den heutigen Tag bewegt.
Saal II
Saal II ist der Stille gewidmet, dem zunehmenden Hörverlust Beethovens und dem damit verbundenen Schmerz, der Isolation und der Nachdenklichkeit. Doch erfährt man hier zugleich von der bewundernswerten Fähigkeit Beethovens, sich nicht seinem Schicksal zu ergeben, sondern durch seine Kunst letztlich über die Krankheit zu triumphieren. Die Radierungen Los Caprichos des ebenfalls früh ertaubten Francisco de Goya (1746–1828) nehmen sich wie bildliche Entsprechungen jener Zerrissenheit aus, in die Beethoven durch seine Krankheit gerät.
Von Beethovens Gedanken und von seiner Kunst bleiben strenggenommen nur die mit Noten oder Wörtern beschriebenen Seiten. Andere Objekte können nur einem Erinnerungskultdienen, Beethovens Hörrohr etwa, oder der originale Parkettboden aus jenem Haus, in dem Beethoven 1827 verstirbt. Dieser steht zugleich für die Projektionsfläche, zu der der Künstler und sein Werk werden. Bis heute kommt es zur Deutung von Werk und Mensch in Politik und Propaganda: Hier wird Beethoven als revolutionärer Neuerer verehrt, dort als Genie, dessen Glanz von nationalistischen Haltungen unterschiedlichster Art in Dienst genommen werden kann. Die kontinuierliche Möglichkeit zur Aufladung kultureller Leistungen mit politischen Inhalten macht in diesem Saal auch eine Arbeit Anselm Kiefers bewusst. Bei Beethoven reicht die Spanne der Rezeption vom Verbot seiner Kompositionen bis zu vielfältigen Zitaten seiner Werke in der Popkultur.
Saal III
In Saal III geht es um die Überwindung der in Saal II thematisierten Schicksalsschläge und um den Aufbruch in die Welt. Die Naturerfahrung war für Beethoven Inspiration und Kraftquell – der Ausbruch aus der Enge der Wohnung, die Freiheit der oft stundenlangen Wanderungen bei jeder Jahreszeit. Immer wieder blieb er dabei unvermittelt stehen, um musikalische Gedanken in seine stets mitgeführten Skizzenbücher zu notieren. Die Farbklänge Caspar David Friedrichs und William Turnerstreffen in diesem Saal auf die Klangfarben Beethovens. Die Jugenddieser Generation war geprägt von dem epochalen Ereignis der Französischen Revolution, einem Aufbruch, dessen Verheißungen in der anschließenden Restaurationszeit wieder einfroren. Zwei Sinfonien erklingen in diesem Saal, die auf gegensätzliche Weise mit der Gestalt Napoleons verbunden: Beethovens Zorn auf die Selbstkrönung Napoleons 1804 führte dazu, dass der Komponist den Namen Bonaparte auf dem Titelblatt der Eroica(3. Sinfonie) eigenhändig wieder auskratzte. Die Uraufführung der7. Sinfonie fand 1813 unmittelbar nach der Völkerschlacht bei Leipzig statt, in der die verbündeten Heere Österreichs, Preußens, Russlands und Schwedens den Truppen Napoleons die entscheidende Niederlage zufügten. Napoleon war von Zeitgenossen häufig mit der mythischen FigurPrometheus in Zusammenhang gebracht worden, aber auch Beethoven weckte bereits zu Lebzeiten Assoziationen mit dem feuerbringenden Titanen. Prometheus ist in einem Gemälde von Jan Cossiers ganz konkret gegenwärtig, aber auch das Video von Guido van der Werve kann als eine komplementäre Spiegelung dieser Gestalt, die die Menschen befreien will und dafür ein hohes Risiko eingeht, gelesen werden: Es ist der Künstler selbst, der hierüber das Eis auf uns zuschreitet, den gewaltigen Eisbrecher hinter sich herführend. Einsam und heroisch handelnd bringt er, am Rande des Scheiterns, Schönheit hervor.
Saal IV
Saal IV schließlich führt zurück auf die individuelle, persönliche Begegnung mit Beethoven. Eine für die Ausstellung entwickelte neue Arbeit von Tino Sehgal ist in diesem Raum ständig und unmittelbar präsent. TINO SEHGALTHIS JOYDie Arbeiten des international renommierten Künstlers Tino Sehgal sind konstruierte Situationen, die Begegnungen initiieren. This Joy entstand auf Einladung des Kunsthistorischen Museums. Mit dieser Arbeit werden die Besucher*innen eingeladen, die Verwandlung von Klang in Sinnlichkeit und die Freude an Beethovens Musik in körperlich übersetzter Form zu erleben. Tino Sehgal hat mit neun Darsteller*innen sechs Musikstücke von Beethoven für die Stimme arrangiert und choreografiert.
Der Katalog zur Ausstellung eröffnet faszinierende Gedankenräume und entwickelt dabei ein Netz von Möglichkeiten und Assoziationen zwischen den Medien: Musik, bildender Kunst und dem geschriebenen Wort. Erhältlich im Museumsshop und im Online-Shop: https://shop.khm.at/
Beethoven bewegt
Öffnungszeiten: Täglich, 10–18 Uhr, Do, 10–21 Uhr, Einlass ist jeweils bis eine halbe Stunde vor Schließzeit.
Tickets & Timeslots: Erwachsene € 21, Kinder und Jugendliche unter 19 frei.
www.khm.at
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